Wiedergabe und Download der Audio-Datei (mp3) der Rede:
Also folgendes: ich habe zwei Reden vorbereitet. Ich habe lange überlegt, ob ich heute eine Rede halten soll.
Ich habe hier eine, die paßt auf ein leeres Blatt. Die hätte ich gerne gehalten.
Die hätte ich gehalten, wenn ihr mich überrascht hättet.
Oder wenn ich mich, im Gegensatz zu meiner jetzigen Entscheidung, anders entschieden hätte, was diese Rede angeht.
Diese Rede werde ich jetzt halten und ich bin es gewohnt, daß ich mißverstanden werde. Und ich möchte darum bitten, mich dieses Mal nach Möglichkeit nicht mißzuverstehen. Und ähm .. ja.. ich fang' einfach mal an.
Ein neues Jahr, ein neuer Haushalt. Hurra.
Die selbe Prozedur wie im letzten Jahr ..
Die selbe Prozedur wie in jedem Jahr!
Meine Vorredner, üblicherweise nur Männer, daher hier mal nicht gegendert, erzählen, wie herausfordernd die Lage ist, danken der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit und wünschen das Gleiche auch für die Zukunft und gehen davon aus, daß wir auch in diesem Jahr alles wieder hinkriegen werden, auch, wenn das Wasser bis zum Hals steht.
Dazu fügen sie 1-2 Beispiele über größere Projekte an (in der Vergangenheit) als Rückschau.
1-2 vielleicht auch als Vorschau.
Und manches ist dabei sogar identisch, denn es ist alle Jahre wieder auf dem Plan, da es immer noch nicht entschieden oder erledigt wurde.
Und .. argh .. es ist halt leider, das muß ich so sagen, oftmals inhaltsarmes Bla-Bla üblicher Floskeln, aber ohne konkrete Handlungs-Aussagen oder Ideen, wo das Geld, das wir hier einsparen wollen, herkommt.
Wir haben ein Einnahmendefizit. Wir werden es nicht durch Ausgabenreduktion lösen, das haben wir hier oft genug gehört.
Und .. Loriot hat vor 30-40 Jahren schon sehr schön persifliert, wie Politiker reden und das ist leider eben alles andere als neu.
Und auch hier mache ich mir dieses Jahr wirklich mal einen Haushaltsreden-Bingo-Zettel mit den üblichen Begriffen, die jedes Mal wieder kommen.
Ich werde bei meiner Haushalts-Rückschau nur einen einzigen Aspekt nehmen:
Letztes Jahr, vor einem Jahr um diese Zeit, am 23. Februar hatte ich als Einziger hier im Raum einen theoretischen Lösungsansatz für die Einnahmenproblematik geliefert. Der wurde von einigen allerdings als "Büttenrede" interpretiert.
Und es war natürlich klar - und das habe ich an dem Tag auch gesagt -, daß wir diese Sache hier nicht entscheiden können, sondern daß das Anwesende aus diesen hiesigen Parteien in ihre Mutterparteien, die im Bundestag vertreten sind, nach oben weitergeben können*.
(* hätte "sollen" heißen sollen)
Es war mein Wunsch: gebt es weiter zu den Entscheidern.
Denn wir können das hier nicht ändern, aber wir können es anstoßen.
Und wenn die Kommunen kein Geld haben für Schulen und für Kindergärten, für Straßen und für Feuerwehren, und vor Ort eben kein Geld generiert werden kann, dann müssen wir Ideen, auch welche mit wenig Erfolgschancen - auf Bundesebene umzusetzende Ideen -, nach oben melden. Und nicht nur einer, sondern alle.
Denn hier passiert Politik, hier sind die Wege vom Bürger oder von der Bürgerin zu den Politikerinnen und den Politikern kurz und direkt.
Hier leben die Menschen, hier ist der Bedarf. Hier passiert "der Staat".
Und hier fehlt das Geld. Und dort wird es entschieden.
Und zwar für alle, und das Ganze auch parteiübergreifend.
Auch für Nichtwähler. CDU, Ampel, völlig egal.
Und die hier anwesenden Politiker von Parteien, die Dutzende und Hunderte Abgeordnete im Bundestag sitzen haben, und in den Landesparlamenten - die UWG ist da fein raus -, die haben ja nun diese direkten Wege, solche Sachen intern in ihren Parteien nach oben zu eskalieren.
Also einen Anruf oder eine e-Mail an einen Bundespolitiker pro Nase innerhalb der (hier) vertretenen Groß-Parteien zu dem Thema ... das war mein Wunsch.
Um Berlin zu zeigen, was Bruchhausen-Vilsen braucht oder wünscht.
Und das betrifft ja, mein Vorschlag damals, auch andere Kommunen ganz genauso.
Also einfach mal sagen: "Hey, hier unten fehlt das Geld, das ist nix Neues, das wißt ihr schon, und wir haben hier so'n Spinner, der hat was von einem Existenzmaximum angeregt. Das ist natürlich Quatsch, aber wißt ihr was: diese alte Idee, so richtig Superreiche vielleicht mal mit 1-2 Prozent extra Vermögenssteuer zu belatschern, das fänden wir hier unten auf der Kommune, wo das Geld gebraucht wird, schon ganz geil.
Sogar bei der CDU, vielleicht auch bei der FDP.
Aber da ihr seit Jahren nichts macht, möchten wir von hier unten gerne oben mal wieder Bescheid sagen, daß es brennt und eilt. Bitte, Danke."
Ob das nun was bringt? Keine Ahnung; es bringt aber auf alle Fälle mehr, als es nicht zu versuchen.
Also wenigstens eine Mail. Wenigstens einen Anruf. Wenigstens fünf Minuten. Denn auch das ist Aufgabe von Kommunalpolitikern. Man muß nicht den ganzen Tag nur Flächennutzungspläne durchwinken und fertig.
Es gibt sehr wenig, was weniger Arbeit gekostet hätte, um das umzusetzen. Und dieser eine Vorschlag von mir, was man tun kann, um an Geld zu kommen, so wenig Chancen er auch hat: es sind immer noch größere Chancen als Null ...
... und es ist mehr Vorschlag als alle anderen Vorschläge aller anderen Leute hier im Raum. Denn die waren in Summe Null.
Heute haben wir mal wieder gehört: Ah, Mitgliedsgemeinden, Samtgemeindeumlage, dies das, ja, natürlich, das können, sollen und müssen wir sicherlich machen. Aber ansonsten gibt es keine Vorschläge und keine Bewegung.
Und ich hoffe, ich irre mich, aber ich lehne mich jetzt ganz, ganz weit aus dem Fenster und ich behaupte:
niemand hier von euch hat irgendwo nach oben was eskaliert.
Niemand wird auch nur darüber nachgedacht haben, diese Idee weiterzugeben.
Und so ist das eben, denn selbst, wenn ich es deutlich überspitze, wenn ich es mit Humor verkaufe, wenn ich spitz, wenn ich scharf, wenn ich zynisch oder provokant formuliere, es ist egal. Es bleibt vielleicht hängen,..
Ihr erinnert euch an das Spaßbad, ihr erinnert euch an die Bierpreisbremse oder an das Existenzmaximum - aber es bleibt wirkungslos.
Und ich habe nunmal nur die Stimme der Rede hier in diesem Raum. Ich kann nichts anderes machen.
Und .. was soll ich auch tun?
Und .. äh .. an dieser Stelle breche ich jetzt mal ab.
Ich hätte jetzt gerne noch einen anderer Einschub gemacht, der mir einiges persönlich bedeutet, der uns auch konkret vor Ort hier möglich umzusetzen gewesen wäre .. den der Bürgermeister ganz ohne Beschluß, ohne Vorlage, ohne Diskussion machen könnte - und er würde nicht einmal Geld kosten .. aber .. ganz, ganz ehrlich:
Ich verzichte darauf. Es hat keinen Sinn, ich gebe es jetzt echt erst einmal auf.
Und das ist doch etwas Schönes, denn die Resignation ist gewachsen! Wir haben auch in 2024 ein Wachstum.
Also sehen wir es mit Humor. Freuen wir uns jetzt also darauf, daß nun alle Redner durch sind, und daß es auch im nächsten Jahr wieder eine Haushaltsitzung geben wird, bei der wieder alle ihre Mustertexte runterspulen, ohne daß man merkt, ob die für das Jahr 1998, 2005 oder 2025 geschrieben worden sind.
Oder für welche Partei.
Und wir werden wieder alle sagen, wie herausfordernd das vergangene Jahr war und wie fordernd das kommende Jahr sein wird. Und sie werden 1-2 Beispiele geben, von denen die Hälfte im Vorjahr nämlich auch schon wieder dabei gewesen ist, weil sie bis heute nicht entschieden wurden.
Und es wird wieder keine Frau reden. Weil wieder die Fraktionsvorsitzenden reden und man nichtmal diese eine kleine Sache ändert.
Und sie werden die Zusammenarbeit loben – zumindest zwischen dem Bürgermeister und den Fraktionen klappt da ja offensichtlich sehr gut ...
Und ich hoffe, ich hoffe, daß sie zu Recht auch dem Kämmerer danken werden, daß er uns immer wieder einen guten Haushalt beschert. Denn ich danke dem Kämmerer dafür.
Und während ich also leise "Bingo!" rufen werde nächstes Jahr um diese Zeit, werden die Presse und die generell viel zu wenigen Zuhörerinnen und Zuhörer bei Versammlungen -- ich möchte dazu appelieren: kommt öfter mal -- sich leise denken:
Die selbe Prozedur wie im letzten Jahr?
Die selbe Prozedur wie in jedem Jahr.